Emotionale Unterstützung für Kinder in der Corona Zeit

 

 

Egal ob groß oder klein, Menschen wollen sich auskennen. Dazu erschaffen sie – bildlich gesprochen – eine innere Landkarte bestehend aus drei Teilen: Ein Bild von sich selbst, ein Bild von der Welt und ein Bild von ihrem Platz in dieser Welt, also der eigenen Rolle mit Beziehungen und Abläufen. Diese drei Teile spielen zusammen und dieser Dreiklang dient der Orientierung, gibt Sicherheit für das eigene Handeln und bietet Erklärung und Vorhersagbarkeit für das, was vor sich geht. Diese Landkarte kann aber auch durcheinandergeraten. Das passiert vor allem dann, wenn Beständiges und Gewohntes unterbrochen wird, Vertrautes sich verändert, tägliche Routinen oder Beziehungen auf einmal ganz anders werden müssen und Dinge, die ganz gewiss waren, plötzlich in Frage gestellt sind – vor allem dann, wenn diese Unterbrechungen längere Zeit andauern. Die momentane Situation bringt genau diese Herausforderungen mit sich. Zahlreiche Veränderungen, Einschränkungen, Unvorhersehbarkeiten und Sorgen lösen eine Art Schwebezustand aus. Die innere Landkarte, die sonst anzeigt, wie die Welt funktioniert und was das für die eigene Person bedeutet, liegt wie im Nebel. Das lässt Sicherheit und Orientierung schwinden, kann an den Nerven zerren und viel Kraft kosten.

Eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa ergab, welche Sorgen und Ängste die Kinder und die Eltern in der Corona-Krise umtreiben. Bei den Kindern ist die Sorge groß, dass ein Freund oder Familienmitglied oder sie selbst krank werden könnte.

Fast jedes fünfte Kind (19%) sorgt sich auch, dass es in seiner Familie zunehmend Streit geben könnte. „Zudem bedrückt es ein Drittel der befragten Kinder, dass sie vielleicht in der Schule den Anschluss verlieren oder den Schulabschluss nicht machen könnten.“

Unterschiede zwischen Kindern und Erwachsenen gibt es jedoch bei der Befürchtung, dass viele Menschen infolge der Corona-Krise ihren Arbeitsplatz verlieren könnten.

Elf Prozent der Kinder fühlen sich laut unserer Forsa-Umfrage traurig, sieben Prozent haben Angst. Auch der fehlende Kontakt zu den Freunden belastet die Kinder sehr.

Dr. Josef Kahl von der Stiftung Kind und Jugend ergänzt: „Als Kinder- und Jugendärzte bekämpfen wir gemeinsam mit unseren anderen ärztlichen Kollegen die Corona-Pandemie. Wir wissen aber auch, dass Corona und die damit verbundenen Einschränkungen viele Familien belasten, dass sie unter Sorgen, Langeweile und Überforderung leiden. Wir wollen dazu anregen, die Zeit, die Eltern und Kinder jetzt miteinander haben, positiv zu gestalten, Stress und Streit vorzubeugen und vor allem eine gute Zeit miteinander zu haben. Beispielsweise auch anders zu streiten – Stopp sagen zu dürfen, wenn es zuviel wird, eine Pause zu machen und zu warten, bis sich alle wieder beruhigt haben.“

Aber wie kann man sich als Erwachsener in dieser schwierigen Zeit stärken und somit auch den Kindern Halt und Zuversicht geben?

Hier kommt unter anderem der Begriff der Resilienz ins Spiel. Resilienz nennt man die Fähigkeit, ein „Licht am Ende des Tunnels zu sehen“, nach dem Fallen wieder aufzustehen und nicht aufzugeben, auch wenn es schwierig wird. Auch Krisen wie die Corona-Pandemie lassen sich damit besser durchstehen. Aber wie entwickelt man Resilienz? Und wie können Kinder krisenfest werden?

Wie sehr die Pandemie als Krise wahrgenommen wird, hängt von den persönlichen Lebensumständen ab, aber auch von der inneren Widerstandskraft eines Menschen. Es gibt eine ganze Liste an Faktoren, die die Resilienz stärken. Hilfreich sind zum Beispiel eine optimistische Zukunftseinstellung und das Gefühl, selbst etwas bewegen zu können. Aktiv werden, selbst etwas tun zu können, zählt zu den besten Möglichkeiten, eigene Unsicherheit und Sorge zu reduzieren. Es vermindert das Gefühl, einer Situation ausgeliefert zu sein, und vermittelt ein stärkeres, aktiveres Selbstgefühl.

Wie aber gelangt ein Mensch zu einer positiven Lebenseinstellung und wie kann man Resilienz trainieren? Es wurde herausgefunden, daß ein wesentlicher Schutzfaktor für die Psyche eine beschützende Bezugsperson ist. Das kann ein Familienmitglied sein, aber auch ein Lehrer oder andere Personen, die einem Kind nahestehen. Verlässliche Bindungen fördern die innere Sicherheit eines Menschen und er kann schwierige Situationen besser aushalten. Als Eltern optimistisch sein und Zuversicht geben, daß es bald wieder besser wird, ist ebenfalls sehr hilfreich.

Was aber, wenn man diese Sicherheit nicht so gut vermitteln kann, weil man selbst unter Sorgen und Ängsten leidet? Es ist wichtig, die eigenen Probleme kindgerecht zu thematisieren. Denn Kinder spüren, wenn es den Eltern nicht gut geht, und das verunsichert sie. Deshalb sollten die Eltern sich bewußt machen, was sie brauchen, daß es ihnen selbst gut geht. Und wenn sie mit den Kindern sprechen, sollten betroffene Eltern signalisieren, daß sie versuchen, mit ihrem Problem umzugehen. Es müssen noch keine perfekten Lösungen sein, Hauptsache die Kinder erkennen, daß die Eltern bereit sind, daran zu arbeiten.

Natürlich sollten auch Ängste der Kinder Raum bekommen. In jedem Fall ist es gut, Ansprechpartner zu sein und Fragen zu klären, ohne die Lage zu beschönigen oder zu dramatisieren. Ziel bei den Gesprächen sollte sein, dass es im Kopf der Kinder ruhiger wird und sich das Herz nach dem Gespräch sicherer fühlt. Eltern können die Kinder in der Krise begleiten und unterstützen, sollten ihnen jedoch auch die Möglichkeit geben, die neue Situation selbst zu gestalten. Wichtig für das Erleben von Sicherheit bei Kindern ist es auch, – soweit möglich – vertraute Routinen und Strukturen zu bewahren oder bei Bedarf neue verlässliche Abläufe zu entwickeln.

Zugleich schafft es Zuversicht, sich vor Augen zu führen, daß die Krise vorbeigehen wird. Vielen hilft es auch, den Blick nach außen zu lenken und zu schauen, ob andere Unterstützung brauchen. Denn etwas Sinnvolles zu tun, gibt ein gutes Gefühl. Und schließlich ist es sehr wichtig, für sich selbst zu sorgen, Stress abzubauen, etwa durch Bewegung und Entspannung. Ein Spaziergang an der frischen Luft kann guttun und Distanz schaffen. Viele Eltern müssen gerade sehr viele Dinge bewältigen, das ist nicht leicht. Liebevoll mit sich selbst umzugehen, könnte hier die Devise sein. Nicht alles gleichzeitig machen zu wollen und sich nicht sofort zu ärgern, wenn nicht alles perfekt funktioniert.

Familien kommen besser durch solche Krisenzeiten, wenn sie sich auf gemeinsame Stärken besinnen und überlegen, welche Probleme sie schon gemeistert haben. Eltern sind immer Vorbilder für ihre Kinder, deshalb ist es gut, wenn sie für sich einen positiven Umgang mit der Situation finden, sich zur Not auch Hilfe suchen.

Wenn Sie merken, dass Sie am Ende Ihrer Kräfte sind, es immer wieder zu heftigem Streit kommt und Sie keine Lösung mehr wissen oder sich Sorgen um Ihr Kind machen, holen Sie sich Rat. Es gibt Einrichtungen, bei denen Sie anrufen und Unterstützung finden können. Es ist in Ordnung, Hilfe zu brauchen und sie in Anspruch zu nehmen.

Beispielsweise sind wir als Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Eltern in Amberg gerne für Sie da – für alle, die Hilfe suchen, Hilfe brauchen oder einfach mal mit jemandem reden wollen. Kostenlos und der Schweigepflicht verbunden. Wir können Ihnen telefonische oder persönliche Termine anbieten, sowie eine telefonische Abendsprechstunde oder Termine in den Außenstellen. Der erste Kontakt wäre unter der Telefonnummer der Beratungsstelle 09621/9177330 zu empfehlen.

Wir dürfen uns trotz aller Schwere momentan auch vor Augen führen - das Coronavirus und seine Auswirkungen sind derzeit ein großer Teil unseres Lebens, aber eben nur EIN Teil eines noch viel größeren Puzzles.

 

Christine Reichl-Heller